Montag, 24. Juni 2013

Cabeza del Condor (5648m)

Die Nacht war unruhig gewesen, und als um 2:00 Uhr der Wecker klingelte, fühlte ich mich ganz und gar nicht so, als ob ich heute auf irgendeinen Berg steigen sollte. Aber wir wollten ja auch nicht auf irgendeinen Berg steigen sondern auf den Hauptgipfel der Condoriri-Gruppe, den 5648 Meter hohen Cabeza del Condor.

Unser Frühstück wartete schon auf uns, als wir in den dicken Daunenjacken im Kochzelt auftauchten. Wieder wurden wir mit Müsli verwöhnt, was so ziemlich das einzige ist, das man um diese Uhrzeit herunter bekommt.

Nach dem Anlegen der Steigeisen
Um 2:50 Uhr brachen wir bei noch klarem Himmel auf. Leider wogen die Rucksäcke mehr als gestern, da wir aufgrund der technischen Anforderungen der Route mehr Material einpacken mussten. So zierten sie nun je zwei Eisgeräte, außerdem hatten wir zwei Firnanker und insgesamt sechs Eisschrauben dabei.

Im Unterschied zu gestern ging es heute auch gleich richtig bergauf. Dank der Erkundung und Errichtung einiger Steinmänner vor zwei Tagen und dank des auch heute hell strahlenden Mondes stellte zumindest die Routenfindung kein Problem dar. Und so erreichten wir nach einer Stunde und fünfzig Minuten das Ende der Moräne und damit den Beginn des firnduchsetzten Schutthanges, den wir nun erklimmen mussten, um auf den Condoriri-Gletscher zu gelangen.

Die Konsistenz dieses Hanges lässt sich am besten mit "gefrorenem Brösel" umschreiben. Allerdings ist die Hangneigung so, dass wir auf keinen Fall einen Ausrutscher riskieren wollten. So ließen wir die Steigeisen angelegt und kämpften uns in der auch hier erkennbaren Spur den Hang hinauf.

Um 6:00 Uhr erreichten wir über ein kurzes aber steiles Firncouloir den Gletscher. Wir waren nun 5270m hoch, so dass noch ca. 400mH vor uns lagen. Nun konnten wir die Rucksäcke erleichtern, da wir uns anseilten und die Eisgeräte in die Hände nahmen. Dafür mussten wir feststellen, dass der von unten und weitem eher flach wirkende Gletscher eigentlich doch ziemlich steil anstieg. Dabei galt es auch, einigen großen Spalten auszuweichen, so dass wir nicht immer die direkte Linie nehmen konnten.

Der Gipfel hüllt sich schon in Wolken
So gegen 7:00 Uhr wurde es langsam hell, und zur gleichen Zeit begann sich eine Wolke recht hartnäckig im Gipfelbereich unseres Zieles zu etablieren. Noch sah das ganze aber nicht bedrohlich aus. So verzog sie sich nach einer Weile auch einmal und erlaubte uns einen guten Blick in die Gipfelwand.

Die Gipfelwand, gestrichelt das verdeckte Couloir, und oberhalb
 unser Umkehrpunkt vor dem letzten Felsaufschwung
Was man auf dem Foto nicht erkennt, ist das Couloir, das sich hinter dem ersten Gipfelzacken von rechts nach links hinaufzieht. Dieses Couloir war die Schlüsselstelle des Anstiegs. Zunächst ging es noch mäßig steil hinauf. J.O. war im Vorstieg und versenkte nach vielleicht 15 Metern einen Firnanker. Dann verschwand er um eine Ecke. So konnte ich nur anhand der Geschwindigkeit, mit der ich Seil ausgeben musste, erkennen, ob er sich in eher gutmütigem oder ungemütlichem Gelände bewegte.

Eine Weile handelte es sich offenbar um die erste Sorte. Dann allerdings geriet sein Vorwärtsdrang ins Stocken. J.O. gehört nun nicht zu den Menschen, die ihrem Unmut lautstark Luft machen. Irgendwann war er dann doch am Schimpfen, als ihm nämlich ein Karabiner entglitt und die Rinne hinunter rauschte. Wir fanden ihn nicht wieder.

Schließlich rief er das erlösende Wort: "Stand". Nun war ich an der Reihe. Als ich um die Ecke blickte, war mir klar, warum er eine Weile gebraucht hatte: die Rinne wurde immer schmaler, steiler, und im letzten Stück hielt sie als besondere Überraschung einen Blankeiskamin für uns bereit.


Ich in der steilen Rinne

Um kurz nach 9:00 erreichte auch ich den Stand am Ende der Rinne. Wir dachten, nun müsste das Schlimmste überstanden sein. Das stimmte so nicht ganz. Der folgende Firnaufschwung entpuppte sich als ebenfalls überraschend steil und schlecht sicherbar, da der Firn ziemlich haltlos war. Was uns aber zumehmend besorgte, war das Wetter. Seit einer Weile stiegen wir im Nebel, und hin und wieder fielen ein paar Flocken. Unsere Sorge war, dass bei einsetzendem Schneefall die Spur auf dem Gletscher nicht mehr erkennbar wäre und wir dann in ernste Schwierigkeiten geraten würden.

Am Umkehrpunkt

Es war kurz nach 10:00 Uhr, als wir, auf dem sehr schmalen und von unsicherem Firn bedeckten Grat stehend und den letzten Felsaufschwung vor dem Gipfelgrat erkennend, uns entschieden, die Tour hier, vielleicht gerade 30mH unter dem Gipfel, abzubrechen.

Der Rückzug durch das anspruchsvolle Gelände bis zum Stand am oberen Ende der Rinne erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit. Das schwierigste Stück der Rinne konnten wir dann abseilen, und so waren wir um 11:30 Uhr wieder am unteren Ende der Rinne angelangt.

Dem Couloir wieder entronnen
Inzwischen schneite es stärker, aber zum Glück konnten wir die Spur noch erkennen. Eine Stunde später erreichten wir das Gletscherende. Nun trafen wir eine Fehlentscheidung: wir befolgten den Rat, den wir vor zwei Tagen erhalten hatten, und begannen, auf Felsbändern abzusteigen. Leider entpuppte sich dieser Weg nach einer Weile als Sackgasse, und so blieb uns nichts anderes übrig, als wieder hinauf in die Scharte zu steigen, um dann den Abstieg über die Aufstiegsroute fortzusetzen. Der Spaß kostete uns über eine Stunde Zeit und einiges an Kraft und Nerven.

Dafür erwies sich der Abstieg durch den Schutthang zwar als ziemlich eklig aber nicht unbedingt schwierig. Nach einer guten halben Stunden hatten wir ihn hinter uns, und eine weitere Stunde später waren wir wieder im Lager, wo Proxi schon mit der Suppe auf uns wartete.

Natürlich wären wir gern auf dem Gipfel gewesen, zumal wir ihm ja so nah gekommen waren. Aber wie immer trafen wir die Entscheidung gemeinsam und auch diesmal nach dem Motto: Sicherheit zuerst!

2 Kommentare:

  1. Gute Entscheidung "Sicherheit geht vor"...
    schön geschrieben und die Bilder.. passt auf euch auf! Beim nächsten Anlauf klappt der Gipfel. Viell. ne Stunde später aufstehen und mehr frühstücken..gibt Kraft ;-)

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  2. Na, da sind wir ja schon voller Vorfeude auf den hoffentlich bald folgenden Film.

    Die Fotos sind ja schon vielversprechend.

    Liebe Grüße auch von Susi, Stephan.

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